Das Tröpferlbad, wie es von den Wienern und Wienerinnen insbesondere den Bewohnern des Arbeiterbezirkes Ottakring, " dem 16. Hieb " liebevoll genannt wurde, war in Wirklichkeit das" Städtische Volksbad XVI. Bezirk,"
Es befand sich in der Friedrich Kaiser Gasse 11 und wurde geliebt und gehasst zugleich. Bürger in gehobener Stellung sowie Beamte, welche sich den Luxus einer Dusche oder gar einer Wanne in den eigenen vier Wänden nicht leisten konnten, und das waren in jener Zeit doch die Meisten, leisteten sich zumindestens einmal die Woche ein Wannen- oder Duschbad in dieser öffentlichen Einrichtung. Kinder und Jugendliche, die sogenannten Schmutzfinke, für die war die gelegentliche, von den Eltern befohlene Dusche im Tröpferlbad ein Gräuel und sie benutzten diese Gelegenheit, um in dieser Anstalt Unfug zu treiben und die Badewärterinnen zu ärgern. Aber auch Erwachsene gaben oft Anlass zur Beschwerde. Der damalige Leiter der Badeanstalt, ein verständnisvoller, aber sehr gestrenger Obermaschinenmeister und zugleich Betriebsbademeister, führte über alle diese Vorfälle genaue Aufzeichnungen und meldete diese seiner Dienstelle, der MA 25. Jeder Bombenangriff wurde mit Voralarm, Alarm und Entwarnung, minutengenau aufgezeichnet und dokumentiert.
Am 10.09.1944 um 10.oo Uhr rief der Kuckuck, um 10.35 Uhr heulten die Sirenen zum Alarm und um 10.4o Uhr erlitt das Bad einen Volltreffer. Die Eintragung im Tagebuch lautete: " 10.40 Uhr Volltreffer im neuen Teil des Bades. 1 Person wurde in den Hof des Bierdepot geschleudert. Die Badeanstalt ist unbrauchbar." Selbst als am 19.03.1947 der Betriebsbademeister Hr. Notnagl sich das Leben nahm, stand in dem Buch für besondere Vorfälle zu lesen, dass "der O.M.M. Notnagl seine Wohnung um 18.oo Uhr verließ und sich in den Kassenraub begab, wo er durch Abschrauben eines Pfropfens von der ¾ Gasleitung Selbstmord beging. ..........er wurde um 17.3o Uhr von den An gehörigen gefunden. ...........dadurch ist in diesem Zeitraum 1 ½ Stund ununterbrochen Gas aus der Leitung ausgeströmt." Diese Eintragung war wichtig, musste man doch den hohen Gasverbrauch rechtfertigen.
Ja, und so penibel wurde auch das Bad selbst geführt. Die Wände waren gepflastert mit emaillierten Schildern, und Vorschriften auf Karton kaschiert. Auf diesen wurde das "freie Ausspucken nur in den Spucknapfs" befohlen, "das Mitnehmen und besonders das Wegwerfen ( Liegenlassen ) von Glassachen, Rasiermessern (Klingen) oder sonstigen die Badegäste gefährdenden Gegenständen" war unstatthaft. Weiters war darauf angeordnet, "die Brause nach gebrauch sofort abzudrehen" , "den Schlüssel vor dem Verlassen der Badeabteilung dem Badewart ( Badewärterin ) abzugeben" und Vieles mehr.
Um das Leben und die Geschehnisse eines solchen Badetages ein wenig zu verstehen, muss man versuche, sich in diese Zeit hineinzuversetzen.
Dunkle Räume mit weißen 15x15 cm Fliesen, Messingstangen mit schweren weißen Stoffvorhängen welche auf Eisenringen liefen, dicke Badewärterinnen in weißen Arbeitsmäntel und virginiarauchende Badewärter mit Bierbäuchen in weißen kurzen Hosen und Zwirbelbärten, die in strengem Ton Anweisungen gaben und trotzdem die Würde der Badenden achteten und sie zuvorkommend behandelten. Ja fast so als wären sie Kellner in einem feinen Restaurante, sie aber bestimmen, was die Gäste zu essen bekommen. Das Stiegenhaus ist düster und das Geländer im Stiegenaufgang ist aus Gusseisen mit einem Holzhandlauf, welcher jedes Kind zum "runterrutschen" verleitet. Vor den letzten Stiegen zum Straßenausgang hin, es ist immerhin ein Halbstock, befindet sich der Kassenraum in welchem man gerade durch das kleine ovale Fenster in der Tür oberhalb des Kartenausgabeschlitz ein peinliche Befragung eines biederen Herren im mittleren Alters beobachten kann und eine junges hübsches Fräulein mit hochrotem Kopf und verschämten Blick nebenstehend zuhört. Diese Befragung findet am 23.01.1931 in den Nachmittagsstunden statt und führte zu folgender Eintragung im Buch für "Besondere Vorfälle" und zu weiteren Meldung an die MA 25, den Vorgesetzten des Badebetriebsleiters.
Wenn sie nun das Gefühl haben, sie befinden sich vor dem Kassenraum und lauschen der Gespräche der angeführten Personen, dann will ich ihnen die getätigte Eintragung nicht länger vorenthalten:
An die Ma 25 a !
Frl. Gertude Graf, 16, Koppstraße 66.P.,
Badegast der Wannenabteilung gab an
dass Herr Viktor Lang XVI Thaliastraße 8
von der Kabine 15 in die Kabine 14 zu sehen
versuchte. Herr Lang gibt den Tatbestand zu.
Viktor Lang
( Unterschrift)
Frl. Graf bittet von einer Anzeige oder Vorladung
ihrer Person ( der Eltern wegen ) abzusehen
Herr Lang gibt an keine Legitimation bei sich zu
haben, da mir seine Angaben nicht glaubhaft schienen,
ersuchte ich Hr. Lang, Hr. Schkowitz zur Begleitung
mitgeben zu dürfen. Hr. Lang heißt
Wang, wohnt nicht Thaliastraße, sondern
XVI, Brunnengasse 12 Tür 42, ist Bundesbeamter
und hatte eine Legitimation bei sich .
Notnagl (Unterschrift)
*Namen beteiligter Personen wurden geändert.